Selzen im Januar 2018

Die Selzer Sälche Fassenacht - eine ungeahnte Erfolgsgeschichte

Was waren die guten alten Zeiten so schön und wir schauten über Jahre hinweg immer wieder einmal sehnsüchtig zurück auf früher, als der MGV in der Turnhalle des TV03 Selzen eine Fastnachtssitzung organisierte und die Halle aus allen Nähten platzte, weil 500 und mehr Besucher mitmachen wollten. Leider war mit dieser Tradition in 2001 recht unvermittelt Schluss - bis zu einem lauen Spätsommerabend im Jahr 2011. Zu fortgeschrittener Stunde dieses Abends entschieden wir in einer Art "Schnapslaune", es nochmals mit einer Fastnachtssitzung zu versuchen und wir hätten wir uns niemals träumen lassen, was sich innerhalb weniger Jahre daraus entwickeln würde.

Es war genau DIE Art von Partylaune, die es für die Umsetzung solcher verrückter Ideen benötigt und im weiteren Verlauf des Abends steigerten wir uns mehr und mehr in die Idee hinein bis wir letztendlich gar nicht anders konnten, als JA zu diesem "Versuch" zu sagen.
In Bezug auf das Konzept entschieden wir uns für eine Fastnachtssitzung im klassischen Sinne mit Vorspiel, Protokoll, Gokolores-Beiträgen, Balletts und so weiter. In Bezug auf die Durchführung orientierten wir uns ein wenig an den Sitzungen z.B. im Dolgeskeller in Bodenheim mit einem Sitzungspräsidenten aber ohne Komitee, denn unser "Sälche" mit seinen 120 Sitzplätzen liess es schon gar nicht zu, dass wir auch noch ein Komitee auf der Bühne platzierten.
In Windeseile wurde ein Programm ausgedacht und sogar unser Vorsitzender Andreas Winters (sonst eher "redescheu") liess sich zu einem Vortrag überzeugen. Plakate wurden entworfen und überall platziert, weitere Aktive rekrutiert, ein Männerballett rund um die Biene Maja und ihren Freund Willi einstudiert und am 10.02.2012 war es dann soweit - die Geburtsstunde der "Selzer Sälche Fassenacht". Wir hatten in den Tagen zuvor einen riesengrossen Respekt vor dieser Veranstaltung, wusste doch keiner so recht, ob die Beiträge, die Gags und Ideen den nötigen Anklang beim Publikum fanden? Sie taten es - und wie! Diese erste Sitzung war trotz (oder vielleicht gerade wegen) diverser Pannen ein sensationeller Erfolg und bereits im Folgejahr mussten wir mit 2 Sitzungen planen, um dem Ansturm auf die Karten gerecht zu werden. 2014 war dann auch das letzte Jahr, in welchem wir aktiv Werbung für die Veranstaltungen machten und seit 2015 sind die Karten bereits im Spätjahr davor mehr oder weniger bis auf wenige Einzelkarten vergriffen.

Wir werden häufiger gefragt, warum wir nicht aus unserem "Sälche" in eine grössere Lokation umziehen, um mehr Besuchern Platz für die Sälche Fassenacht zu bieten? Wir möchten an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen um hervorzuheben, dass dies in keiner Weise etwas damit zu tun hat, dass wir eine Zusammenarbeit mit anderen Selzer Vereinen nicht möchten oder gar scheuen. Es ist uns wichtig zum Ausdruck zu bringen, dass wir zu allen Selzer Vereinen ein gutes Verhältnis haben und diese Freundschaften auch aktiv pflegen. Die Beweggründe für unsere Entscheidung sind völlig anders gelagert, zum einen ist es der Aufwand und zum anderen ist es die Gemütlichkeit.
Aufwand - Die uns zur Verfügung stehenden Helfer sind in ihren Jobs entsprechend eingespannt und müssen sich den Aufbau, die Durchführung wie auch den Abbau von ihrer knapp bemessenen Freizeit "stehlen". Unser Sälche bietet diesbezüglich entscheidende Vorteile in Bezug auf die Akustik, auf die Bewirtung sowie diverse anderen arbeitsintensive Bereiche.
Gemütlichkeit - In einem kleineren Veranstaltungsort wie dem Sälche geht es eng zu, aber auch urig gemütlich. Wer schon einmal eine unserer Sitzungen besucht hat weiss, wovon hier die Rede ist. Gäste und Aktive sind so eng beieinander, dass die Gäste in der ersten Reihe manchmal aufpassen müssen, dass ihnen der Sitzungspräsident auf der Bühne nicht das Glas auf dem Tisch umschubst. Diese Nähe zwischen Publikum und Aktiven macht das Flair unserer Veranstaltung aus und wir sind uns sehr unsicher, ob wir dieses Flair in einer grösseren Lokation nicht verlieren würden.
Wir bitten daher um Verständnis, dass wir aktuell einen "Umzug" nicht in Betracht ziehen.

2017 - Die Senkrechtstarter der Kampagne
Die Flugenten Petra Grundstein und Monja Seidel

2016 - Sitzungspräsident Prinzessin Lea mit Gardeballett

2012 - Aktiveninfo über den Ablauf der ersten Sitzung

Zu diesem Thema erschien am 02.01.2016 auch der nachfolgende Artikel in der Ausgabe Landskrone der Allgemeinen Zeitung Mainz.

MGV Selzen in den Startlöchern für die Fastnachtssitzungen

Von Torben Schröder

SELZEN - Urwüchsig, bodenständig, etwas anarchisch und vor allem ortstypisch: Die Fastnachtssitzungen in Selzen sind eines der Highlights in jeder Kampagne. Dabei gelingt Sitzungsleiter Freddy Henß und seinen Kollegen vom MGV Selzen das Kunststück, die Bühne fast komplett mit ehrenamtlich tätigen Einheimischen zu füllen. Das, durch die sehr kurze Kampagne, dieses Jahr nochmals verschärfte Wettrennen um die bezahlten Redner geht daher spurlos an der Selztalgemeinde vorbei.

Tradition noch jung

Was wie eine langjährige Tradition wirkt, ist in Wahrheit noch relativ neu. Am 22. und 29. Januar begeht der MGV erst die fünfte Kampagne nach dem Neustart. Zuvor litt die Fastnacht, damals noch in der Turnhalle, unter Besucherschwund und wurde um die Jahrtausendwende eingestellt. „Früher war die Turnhalle so eng bestuhlt wie jetzt unser Sälchen – und pickepackevoll. Die Leute haben schon morgens um vier Uhr mit Glühweinkanistern für Karten angestanden“, blickt Henß zurück. „Aber am Ende haben die Leute gefehlt“, sagt der MGV-Vorsitzende Andreas Winters. Bei italienischen Antipasti, Rotwein und Ramazotti fassten Henß und Gastgeber Sven Hauenstein vor fünf Jahren den Entschluss, die Fastnacht wieder zu beleben. „Wir hatten größte Bedenken, dass überhaupt jemand kommt“, erzählt der Sitzungspräsident. Statt in der Turnhalle Miete zu zahlen, räumte man das vereinseigene Sälchen frei und legte los.

Nachfrage schon im Sommer

  „Schon die erste Sitzung, für die wir kräftig Werbung gemacht haben, war ausverkauft“, freut sich Henß. Auf Plakate und Flyer verzichten sie längst. Seit Mitte November sind die beiden Sitzungen ausverkauft, ein Großteil der Karten war schon im Sommer weg. Weil die Nachfrage so groß war, hatten die Macher in Selzen sogar die Idee, eine dritte Sitzung in den Kalender aufzunehmen. Doch die Kürze der Kampagne und auch die Belastungsfähigkeit der Aktiven sprachen dagegen.

Mehr als 200 Besucher – am ersten Termin mehr als am zweiten, weil dort etwas bequemer und seniorengerechter bestuhlt wird – dürfen sich erneut auf ein Mammutspektakel freuen. Wobei die kuschelig enge Atmosphäre im Sälchen einen Gutteil zum typischen Selzer Fastnachtserlebnis beiträgt. Einige Aktive früherer Jahre, etwa der „Frosch“ Kurt Wolf mit seinen teils brillanten lokalpolitischen Spitzen oder die Hauenstein-Familie, sind immer noch dabei. Heike Maaßen als kultig-zotige „Else aus dem Pott“ wurde beim Glühweintrinken rekrutiert, die – auch aus Selzen verstärkten – Köngernheimer „Stolperhölzer“ fragten selbst an. „So geht das eigentlich immer“, sagt Henß, „wenn jemand etwas beitragen möchte, freuen wir uns.“

Viele vermeintlich feste fastnachtliche Regeln gelten in Selzen nicht. Die „Orden“ werden eigenhändig, auf CD-Rohlinge, aufgeklebt, und wirklich jeder auf und hinter der Bühne erhält einen. Auf ein Komitee wird, auch mangels Platz, verzichtet, dafür hängen gern einmal elf gezeichnete Frösche – und ein durchgestrichener Hahn – an der Wand. Die Nachbargemeinden werden zuverlässig gerupft, und vor allem, wenn die Hauenstein-Familie sich auf der Bühne blicken lässt, wird es zuweilen grob. „Wir lesen keine Reden Korrektur, zensiert wird nichts“, betont Winters, „jeder trägt selbst die Verantwortung dafür, was er vorträgt, und muss die restlichen 364 Tage im Jahr damit leben.“ Das war früher anders, berichtet Henß. Dass dann und wann mal der Bogen überspannt wird, liegt damit in der Natur der Sache.

Stammgäste in der Bütt

Schon so manchem kommunalpolitischen Würdenträger entglitten zwischenzeitlich die Gesichtszüge. „Persönlich darf es nicht werden“, findet Henß, der im Gegenzug auch für die Lokalpolitik die Bühne räumt. Klaus Penzer ist in seiner Heimat-Bütt Stammgast, in der vergangenen Kampagne debütierte Michael Stork in der närrischen Rostra, nun folgt ihm seine Landtags-Gegenkandidatin Kathrin Anklam-Trapp nach. Wie lautet das Erfolgsrezept? „Es ist ein ständiges Rühren“, sagt Henß, „aber jetzt ist Zug drin, weil es so erfolgreich ist.“ Die erste Kartenbestellung gab es schon nach der ersten Sitzung 2015 – und zwar für 2017. „Du musst ein bisschen verrückt sein“, hält Henß fest, „aber der Funke springt über.“