Von Torben Schröder
Der Reim zu Held kommt vom Publikum
MGV SELZEN - Bei der Sälchen-Fastnacht brillieren Eigengewächse und Gäste
Lothar Hauenstein hat seinen Hausmeister-Mantel dabei, bereit ihn im Tausch gegen einen Schoppen abzugeben. Den Mantel, mit dem er stets die Sälchen-Fastnacht des MGV Selzen eröffnet. Manches ist im Wandel. Die „Else aus dem Pott“ und der „Selzer Frosch“ sind nicht mit dabei, auch der zuletzt gewohnte Gast aus der Kommunalpolitik fehlt in der Bütt. „Unsere Kapelle ist dieselbe und spielt immer noch so schief wie voriges Jahr“, verspricht Hauenstein. Nur werde die Sitzung etwas kürzer.
Von wegen. Auch sechs Stunden später sind die Narren noch in Höchststimmung, feiern mit den „Unnerummer Buwen“ eine herrlich beschwingte Oktoberfest-Party, bejubeln das große Finale und dürfen gewiss sein: Manche Aktiven wechseln, der urig-charmante Spirit bleibt. Gute-Laune-Musik, bei der kräftig mitgemacht wird, Männerballett und Showtanz, Kokolores und Polit-Redner – nichts kommt zu kurz, und wenn das Mikrofon mal wieder streikt, kurbelt der diesmal als Schlumpf verkleidete Sitzungsleiter Freddy Henß das närrische Treiben einfach noch etwas stimmgewaltiger an.
Viel Eigenes ist dabei. Das Kinderballett mit 16 Nachwuchs-Narren von sechs Jahren aufwärts, Regina Buhl und Claudia Kissinger mit ihrer Schlager-Show als Trude Herr und Roberto Blanco, Petra Grundstein und Ortschefin Monja Seidel mit ihrem herrlich albernen Duett, das dosiert chaotische Gardeballett mit einer zusätzlichen „Schlumpfinchen“-Einheit, Lothar Hauenstein und Robert Jochem mit dem Beweis, dass selbst ein Alphorn auf die enge Sälchen-Bühne passt – der Funke springt über, die Lust am Mitmachen steckt an. Auch wenn viel Improvisationskunst gefragt ist: Die „Kingerummer Stolperhölzer“, die mit einer detailverliebt ausgearbeiteten 20er-Jahre-Revue an den Broadway entführen, die spektakulären Figuren der „Twirl Explosion“-Showtanzgruppe aus Mainz und die akrobatischen Hillesheimer „Wingerts Knörzjer“ haben schwer mit der engen Abmessung der Bühne zu kämpfen, machen aber, wie alle Beteiligten, das Beste draus.
Mit einem ganz besonderen Gast wollen die MGV-Macher den schmerzlichen Verlust ihrer festen Größen wettmachen. Und Horst Radelli alias Willi Windhund feuert verbal aus allen Rohren, zieht gewohnt gewitzt gegen die Albernheiten der politischen Korrektheit zu Felde und schmeichelt den Selzer Fastnachtern mit vielen warmen Worten.
Ein bejubeltes Debüt feiern auch die „Meenzer Zibbelkappe“, die von ihrer Basis in Mommenheim aus gern auch in der rheinhessischen Fläche Fuß fassen möchten – und mit handgemachter Musik, gewitzten Texten und jeder Menge Drive den Laden sofort im Griff haben. Ihre Refrains klingen den Narren auch nach der Sitzung noch im Ohr. Über die Brück’, aus Hahnheim, kam der „Neuling auf Selzer Brettern“ Jörg Döring daher – und macht damit geschickt die möglichen Unsicherheiten eines Anfängers zu Bestandteilen des Programms. Mit Ukulele und kreativen Umdichtungen bekannter Songs empfiehlt sich der Physiotherapeut dringend für weitere Auftritte.
Seinen Hausmeister-Mantel hat Hauenstein übrigens behalten. Selzen bleibt Selzen. Und zumindest ein bisschen „Selzer Frosch“ gibt es auch. Protokoll-Chefin Antje Conrad bietet nicht nur ihren gewohnten, wohl gesetzten Rundumschlag durch die große Politik, sondern knöpft sich auch die lokalen Akteure vor. Claus Schicks Ansehen habe einen Knick, denn die AZ-Berichterstattung „Hetze und Pogromstimmung genannt – so geht’s nicht in unserem Land“. Marcus Held habe sich bemüht, Oppenheim sei aufgeblüht, aber „die Art und Weise war einfach...“ – der Reim kommt vom Publikum.
Wer war noch dabei? Die
Big Band Selzen-Köngernheim bestritt den musikalischen Auftakt, der
Gospelchor rundete den Abend ab.
Svenja Heigert reimte sich durch ihren Werdegang zu Miss Fassenacht,
Thomas Heigert hielt als Gardeoffizier der grossen und weniger grossen Politik den Spiegel vor.
Der AZ-Jokus geht an die „Selzer Froschschenkelcher“, die mit ihrer „Cowboy und Indianer“-Show inklusive Federschmuck, Hackebeil und Marterpfahl einen ebenso aufwendigen wie augenzwinkernden Männerballett-Auftritt hingelegt haben.